Am 15. Februar 2020 soll in Stuttgart ein Symposium des „Aktionsbündnis für Ehe & Familie – DemoFürAlle“ zum Thema „Familie am Abgrund – Ursachen und Auswege“ stattfinden.

Screenshot: Beworben wurde das Symposium auch in der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ Ausgabe 4/2020.

Die „Demo für alle“ (DfA) war ursprünglich eine in Stuttgart und Wiesbaden stattfindende größere Demonstrations-Serie, die von Hedwig Freifrau von Beverfoerde aus Magdeburg organisiert wurde. Heute ist die Adelige Sprecherin des Aktionsbündnis und Vorsitzende des Vereins Ehe-Familie-Leben e.V. Von Beverfoerde war bis Dezember 2016 Mitglied der CDU. Sie war schon vor ihrem Austritt bei der CDU zeitweise bei der „Initiative Familienschutz“, einer Nebenorganisation der „Zivilen Koalition“ beschäftigt, welche von Sven von Storch, dem Mann der heutigen AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch geleitet wird.
Beverfoerde ist der christlichen Rechten zuzurechnen wie folgendes Zitat aus einem Artikel von ihr, der im Februar 2018 in der erzkatholischen Zeitung „Die Tagespost“ erschien, unterstreicht:
In den letzten 50 Jahren hat sich in der Kirche ein weltweites engmaschiges Netz homosexuell aktiver Priester und Bischöfen gebildet, in dessen Reihen massenhaft unfassbare sexuelle Übergriffe, Verbrechen und Verführungen gegenüber vornehmlich heranwachsende Jungen und Priesteramtskandidaten in Seminaren verübt wurden. Spätestens seit dem kürzlich veröffentlichten Pennsylvania-Bericht wissen wir, daß es hier auch um Satanismus, Vergewaltigungen und schreckliche Seelenzerstörung geht – verübt von geweihten Priestern. Erklärbar wird dies nur, wenn man endlich der Tatsache ins Auge blickt, daß ein wesentlicher Teil der institutionellen Kirche vom Glauben abgefallen ist. Die Kirche ist unter die Räuber gefallen.“ [1]

Als Mitorganisator des Symposium wird auch die „Petitionsplattform CitizenGO Deutsch“ benannt. Diese ist der deutsche Ableger der 2013 gegründeten europäischen CitizenGO-Stiftung mit Sitz in Madrid. Die finanzstarke Stiftung finanzierte u.a. eine Bus-Kampagne und eine Konferenz der DfA.
In Ankündigunstexten wird als „Medienpartner“ zudem „Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur“ genannt. Die Zeitung „Die Tagespost“ mit Sitz in Würzburg gilt als einzige streng katholische Tageszeitung in Deutschland.

Die letzte Großdemonstration unter dem Label „Demo für alle“ fand im Oktober 2016 in Wiesbaden statt. Seitdem veranstaltete das Aktionsbündnis ab 2018 nur noch kleinere Bus-Kundgebungstouren und ab 2016 Symposien.
Bereits im Januar 2016 fand ein DfA-Symposium in Stuttgart statt. Ort war damals die Liederhalle.
Weitere Symposien folgten im Mai 2017 in Wiesbaden, im Januar 2018 in Kelsterbach bei Frankfurt und im Februar 2019 in München. Die Gästezahl schwankte jeweils zwischen 250 und 750.
Der Wechsel von Großdemonstrationen zu Symposien ist offenbar eine einem Strategiewechsel geschuldet. Die eigene Agenda wird pseudowissenschaftlich in Symposien aufbereitet. Diese Verwissenschaftlichung von politischen Forderungen des Themas soll vermutlich der Akzeptanz in der Gesellschaft dienen.
Obwohl die Veranstalter und die meisten ReferentInnen einen christlichen Hintergrund haben, der wohl auch ihr Motiv bestimmt, wird nach außen hin nicht mit der Bibel, sondern mit scheinbar wissenschaftlichen Standpunkten argumentiert.

Die ReferentInnen-Riege

Die ReferentInnen der Veranstaltung entstammen dem Spektrum der konservativen und christlichen Rechten. Einige von ihnen weisen auch Berührungspunkte zur extremen Rechten auf.
Hier ein kritischer Überblick:

  • Jörg Guido Hülsmann, Professor an der Universität Angers in Frankreich
    Hülsmann schreibt für das neoliberale Monatsmagazin „eigentümlich frei“. Dazu passt dass er Senior Fellow am Ludwig von Mises Institute in Auburn (Alabama, USA) ist, benannt nach einem Vordenker des Marktradikalismus. Über Mises hat Hülsmann auch im „Staatspolitischen Handbuch“ des neurechten thinktanks „Institut für Staatspolitik“ einen Beitrag verfasst.
  • Raphael M. Bonelli, Professor an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien
    Er trat bereits im Januar 2016 beim Symposium „Gender und Sexualpädagogik auf dem Prüfstand der Wissenschaften“ in Stuttgart auf.
    Laut einem Artikel der österreichischen Zeitung „Kurier“ vom 13. September 2007 ist Bonelli Mitglied der rechtskatholischen Gruppe „Opus Dei“.
  • Dr. Hubertus Knabe
    Knabe gilt als strammer Antikommunist; der Historiker Wolfgang Wippermann nennt ihn einen „Großinquisitor“ [2]. Lange Zeit war er Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Ignorierte Beschwerden wegen sexistischer Übergriffe durch einen anderen Mitarbeiter führten im September 2018 zu seiner Entlassung.
    Er trat im August 2019 in Berlin bei der rechtskonservativen „4. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz” auf.
    In Baden-Württemberg trat Knabe zuletzt am 3. Oktober 2019 in Ettlingen als Festredner auf Einladung der FDP auf.
  • Sabine Weigert
    Weigert ist Sprecherin einer „Elternaktion Bayern gegen Genderideologie und Sexualisierung an Bayerns Schulen“
  • Christel und Christian Steinbacher
    Das Ehepaar ist bei dem Verein „Team.F – Neues Leben für Familien e. V.“ aktiv, welcher ein konservatives Familienbild promotet.

Fazit: Verteidigung eines konservativen Familienbildes gegen die plurale Gesellschaft
Wenn etwas am Abgrund steht, dann ist es offenbar gefährdet und genau das soll der Titel der Veranstaltung suggerieren. Der Diskurs um die gefährdete Familie existiert in der gesamten extremen und in der christlichen Rechten, sowie in großen Teilen der konservativen Rechten. Abgelehnt wird dabei eine Erweiterung und Pluralisierung des Familien-Begriffs, der über die heterosexuelle bürgerliche Kleinfamilie hinaus reicht. Auch die Kritik an der Privilegierung bestimmter Familien- und Beziehungsformen gegenüber anderen wird in diesen Kreisen als Bedrohung wahr genommen.
Konkret wird dieses konservative Familienbild gegen „den“ Feminismus verteidigt, der die traditionellen Frauenrollen in Frage stellt. Genauso wird es gegen LSBTTIQ*-Organisationen verteidigt, die die behauptete alleinige Zweigeschlechtlichkeit bei Elternschaft und Ehe in Frage stellen.
Wenn dazu noch ein Vortrag mit dem Titel „Fokus Familie: Konstruktive Familien- und
Gesellschaftspolitik in Ungarn“ angekündigt ist, wird klar dass bei autoritären Regierungen wie der unter Viktor Orbán nach Gegenmodellen gesucht wird.

 


ANMERKUNGEN
[1] Hedwig von Beverfoerde: Der Rauch Satans, 28.08.2018, https://m.die-tagespost.de/meinungsmacher/Der-Rauch-Satans;art36,191440
[2] Wolfgang Wippermann: Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich, Berlin 2. Auflage 2009, Seite 105-115