Es waren geschätzte 600 bis 700 Personen, die sich am 8. Januar 2024, ab 11 Uhr in Stuttgart auf dem Rotebühl-Platz versammelt hatten, um u.a. gegen die Streichung der Agrardiesel-Subventionen zu demonstrieren.
Auch in zahlreichen rechten ‚Social Media‘-Kanälen wurde auf den Rotebühl-Platz mobilisiert. Extreme Rechte und Pandemie-Leugner*innen stellten unter den Demonstrierenden etwa 20%. Insofern war die Veranstaltung ein Parade-Beispiel dafür, wie Rechte versuchen nicht-rechte Proteste zu kapern.
Genauso waren Personen aus dem Spektrum der rechten Pandemie-Leugner*innen, QAnon-Anhänger*innen und einzelne extreme Rechte ohne Parteibuch unter den Teilnehmenden zu identifizieren. Zum Beispiel Einzelpersonen aus dem Umfeld von Neonazi-Gruppen wie „Revolte Pforzheim“, der „Waräger Brotherhood“ oder dem ehemaligen „Nord Württemberg Sturm“.
Neben einer kleinen, einstelligen Zahl von Mitgliedern der rechten Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum“ war auch der aus Österreich stammende Online-TV-Sender „AUF1-TV“ vertreten. Die größte extrem rechte Gruppe stellte aber die AfD bzw. ihre Partei-Jugend „Junge Alternative“ (JA).
AfD erst am Rand und später auf der Bühne
Die AfD vor Ort war mit einer Gruppe von etwa 50 Personen und mehreren Transparenten vertreten. Darunter waren zahlreiche AfD-Landtagsabgeordnete und -Bundestagsabgeordnete vertreten: Anton Baron (AfD-MdL), Franziska Gminder (AfD-MdB), Hans-Jürgen Gossner (AfD-MdL), Martin Hess (AfD-MdB), Daniel Lindenschmidt (AfD-MdL), Dirk Spaniel (AfD-MdB) und Udo Stein (AfD-MdL).
Hinzu kamen mehrere kommunale Abgeordnete und Funktionäre der JA. Diese Gruppe wurde vom Demo-Anmelder einige Meter weiter weg geschickt, da man neutral bleiben wolle.
Trotzdem standen da in Spalier rechts und links der Straße AfD-Mitglieder mit Transparenten, die um die Zustimmung der Landwirt*innen buhlten.
Die Rand-Position der AfD veränderte sich als von den Demonstrations-Veranstalter*innen ein offenes Mikrofon angeboten wurde.
Dadurch kamen zwei AfD-Mitglieder zu Wort. Zum einen Nikolaos Boutakoglou aus dem Kreis Ludwigsburg und zum anderen Dirk Spaniel. Spaniel wurde als „Bürger aus Stuttgart“ angekündigt, ist aber eigentlich ein AfD-Bundestagsabgeordneter. Das wurde verschwiegen.
Der Demo-Moderator Michael Warth wusste auf Nachfrage der Presse aber durchaus, wem er da das Mikrofon in die Hand drückte: „Wir wussten, wer Herr Spaniel ist“.[1]
Von Spaniel wurde Stuttgart als „Zentrum des Widerstands“ bezeichnet und rief dazu auf bei der kommenden Wahl die Ampel abzuwählen.
Weiter sprach eine Susanne M., die ein Grußwort der extrem rechten Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum“ überbrachte.
Ebenso sprachen Ralph Bühler aus Nussloch bei Heidelberg. Bühler organisierte u.a. rechte Demonstrationen in Neustadt und Kandel und wurde laut Presse wegen Volksverhetzung verurteilt.
Den Pandemie-Leugner*innen ist die Rednerin Esther S. zuzurechnen. Sie trat am 16. April 2023 in Stuttgart-Stammheim auf einem „Freiheitsfest“ von Querdenken mit 1.000 Personen neben Michael Ballweg und Ralf Ludwig als Rednerin auf.
Esther S. musste außerdem laut der „Kontext-Wochenzeitung“ „wegen Volksverhetzung eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Schwäbisch Gmünd“ antreten.[2]
Die Beteuerungen, des Anmelders, man wolle „politisch neutral bleiben“, helfen nichts, wenn AfD und Co. sich durch die Hintertür hinein gelassen werden.
Das Problem bleibt auch das einigende Feindbild Ampel und speziell das Feindbild Grüne, die von der AfD bis zur Union als Hauptfeind markiert werden.
[1] Alexander Roth: Großer Bauernprotest in Stuttgart: „Es ist ein ständiger Kampf mit der AfD“, ZVW, 08.01.2024, https://www.zvw.de/stuttgart-region/gro%C3%9Fer-bauernprotest-in-stuttgart-es-ist-ein-st%C3%A4ndiger-kampf-mit-der-afd_arid-758311
[2] Maxim Flößer: Protest der Landwirte. Bauernopfer, Kontext-Wochenzeitung, 10.01.2024, https://www.kontextwochenzeitung.de/schaubuehne/667/bauernopfer-1-9306.html