Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie und der Diskussion um einen künftigen Impfstoff dagegen treten vermehrt ImpfgegnerInnen auf. Einige von ihnen weisen Kontakte zur extremen Rechten auf.
Impfkritik ist für sich genommen kein fester Bestandteil rechter Ideologie. Allerdings geht sie meist einher mit Verschwörungsmythen, die auch in der extremen Rechten stark verbreitet sind. Sie finden sich aber ebenso in der Mitte der Gesellschaft und in einem grün-alternativen Spektrum, nicht selten verbunden mit Sympathien für die Anthroposophie, die wissenschaftlich verquaste Heilslehre von Rudolf Steiner.
Zum Beispiel Hans U. P. Tolzin
Eine wichtige Rolle in der Szene der Impfkritiker*innen spielt Hans Tolzin aus Herrenberg, der als vorgeblicher Experte zum Thema Impfen auftritt.
Die Stuttgarter Wochenzeitung „Kontext“ nannte Tolzin im April 2020 den „Pop-Star der deutschen Impfgegner-Szene“ [1].
Der Impfkritiker Tolzin ist seit 2005 Herausgeber der Zeitschrift „impf-report“ und seit 2003 Organisator des jährlichen „Stuttgarter Impf-Symposiums“. Allerdings musste das am 23. und 24. Mai 2020 in der „Filharmonie“ in Filderstadt geplante „13. Stuttgarter Impfsymposium“ auf Grund der Corona-Pandemie abgesagt werden.
Tolzin engagierte sich in der rechten Kleinstpartei „Deutschen Mitte“ (DM), die 2013 von dem Verschwörungsideologen Christoph Hörstel gegründet wurde.
Die DM fordert u.a. die Entgiftung von Chemtrail-Opfern.
Für die DM war Tolzin gesundheitspolitischer Sprecher und kandidierte 2017 zur Bundestagswahl auf Platz 1 der baden-württembergischen Landesliste.
Immer wieder trat Tolzin für rechte oder reaktionäre Organisationen als Referent auf. Etwa auf dem Kongress des Kopp-Verlags Anfang 2016 in der Messe des Flughafens von Stuttgart.
Mindestens einmal trat Tolzin auch für die AfD auf. Am 26. Juli 2019 fand laut Ankündigung in der Gaststätte „Schnogga-Treff“ in Renningen-Malmsheim der AfD-Bürgerdialog zum Thema „Ist das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Gefahr?“ mit dem Vortrag „IMPF-ZWANG wie zu DDR Zeiten – ein Geschäft mit der Angst? Ist Impfen ein fataler Irrtum? Darf man den Eltern das Entscheidungsrecht nehmen?“ mit Hans Tolzin statt.
Aktuell gab er am 26. April 2020 dem extrem rechten Online-TV-Format „Compact-TV“ ein Interview, in dem er die die Gefahren von COVID-19 leugnete.
Bei den seit Mitte April 2020 in Erscheinung tretenden Demonstrationen von GegnerInnen der Corona-Maßnahmen tritt auch Tolzin in Erscheinung.
Vom Ansatz her ist es sicher legitim, gegen die Einschränkungen der Grundrechte zu protestieren, aber in der Bundesrepublik verbindet sich das oft mit einer Verharmlosung der Gefahr durch die Pandemie. Daraus resultieren oft mindestens verschwörungstheoretische Ansätze in der Analyse und NS-verharmlosende Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, sowie eine bewusste Missachtung von Abstands- und Hygiene-Regeln. Dadurch und den postideologischen Anspruch („weder links noch rechts“) werden die meisten dieser Demonstrationen zu reaktionären Demonstrationen.
Die Fundamentalopposition gegen das „Establishment“ und Verschwörungsmythen ziehen kaum überraschend auch viele Rechte an, darunter ReichsbürgerInnen, AfDlerInnen etc.
Am 18. April 2020 fand in Stuttgart z.B. eine Demonstration „für das Grundgesetz“ mit 80 Beteiligten statt. Darunter war neben diversen anderen Rechten auch Tolzin.
Dass Tolzin auch sonst als Wutbürger auftritt, zeigte er als er 2018 ein Fernsehteam von „Spiegel TV“ körperlich angriff und es bedrohte.
Schützenhilfe von der AfD
Auch der AfD-Kreisverband Stuttgart hat sich den Verschwörungsgläubigen angeschlossen. Er fordert: „Grundgesetz und Freiheit brauchen keinen Impfpass – Die größte Bedrohung des Grundgesetzes seit seiner Einführung“ und „Gib Gates keine Chance“ im gleichen Design wie „Gib Nazis keine Chance“.
Der Milliardär Bill Gates fungiert als zentrale Person in einer derzeit populären wie abstrusen Verschwörungserzählung. Demnach benutzt oder steuert Gates die Pandemie für ein Programm zur Zwangsimpfung bzw. Chip-Implantation, welches der Bevölkerungskontrolle dienen soll.
Auch die „Junge Alternative Baden-Württemberg“ wandte sich am 15. April 2020 auf Facebook gegen eine Impfpflicht:
„Seit Beginn der Corona-Krise sind vermehrt Stimmen zu hören, die sich für eine generelle Impfpflicht aussprechen. […] Wir vertreten daher die Ansicht, dass eine Impfung, ganz gleich gegen welche Krankheit, niemals mit Zwang durchgesetzt werden darf. Zudem sind Impfungen nicht zwangsweise als positiv zu sehen. […] Wir fordern daher eine ausgewogene und transparente Aufklärung für die Bürger und bekennen uns klar gegen eine allgemeine Impfpflicht.“
Jenseits von der aktuellen Pandemie ist die Opposition gegen Impfen ein generelles gesundheitliches Risiko.
Personen wie Tolzin befeuern als Anti-Impf-Prediger dieses Risiko und sind dabei auch innerhalb einer rechten verschwörungsideologischen Szene aktiv, die bis weit in die AfD hineinreicht.
ANMERKUNGEN[1] Moritz Osswald und Tabea Günzler: Piksende Ungewissheit, Kontext, 29.04.2020, https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/474/piksende-ungewissheit-6693.html